Senkrechte Striche faszinieren mich seit Jahrzehnten: Buhnen an der Nordsee, Alleen, Weidezäune, Wälder im Winter und Strichcodes. Sie sind stark und dominant, geben den Rhythmus vor und kontrollieren. Mich fasziniert ihr aufrechtes Wesen und ihre Ambivalenz. Buhnen wurden dereinst an den Küsten der Nordsee in Reih und Glied tief in den Sand eingerammt, um die Wellen zu brechen. Damit das Meer weniger Sand abspült und die Dünen und damit die Inseln geschützt sind. Vergebliche Mühe: Der Erffekt für den Küstenschutz war gleich Null und durch Verwirbelungen entstanden gefährliche Auswaschungen. Deswegen werden die Buhnen derzeit mit schwerem Gerät wieder entfernt.
In meinen Werken findet sich immer wieder das Echo von Buhnen und Strichcode. Als starke Struktur, auch wenn sie wie hier ganz zart daherkommt: mit weißen Fäden und senkrecht gestellter Schreibmaschinenschrift auf Durchschlagpapier. Dahinter steckt so viel Arbeit, Mühe, Konsequenz – und das möchte ich wertschätzen. Wer kann sich heute noch vorstellen, ein mehrseitiges Manuskript mit Kohlepapier und zwei Durchschlägen abzutippen? Welches Anliegen ist heute noch einen solchen Aufwand wert? Konsequent konzentriert, denn mit Durchschlag gibt es keine Löschen-Taste.
Das zart im Vordergrund hat scheinbar Gewebestruktur – ist tatsächlich aber mit Tuschepinsel auf Kunststoff geschrieben und dann mit dem Radiermesser schraffiert. Und siehst du es: Dahinter liegt ein zweites zart in Schreibschrift.
P.S.: Putin, gib Dir Mühe und sei zart!